Genealogie der Familie Vogel in Mittelfranken

Auszug aus dem Hohensalzaer Heimatbrief Nr. 12, Weihnachten 1997
mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers G. Raatz

Die Gemeinde

Die Kirchengemeinde

Der Amtsbezirk

Betriebe und Einrichtungen

 

Groß Neudorf, Kreis Bromberg

Zentraler Ort für zahlreiche Gemeinden der Kreise Hohensalza und Bromberg

 

Was hat der im Kreise Bromberg gelegene Ort Groß Neudorf, der immer wieder in unseren Heimatbriefen erwähnt wird, mit dem Kreise Hohensalza zu tun? So werden sich sicher viele Leser unserer Rundbriefe besonders aus dem Osten und Süden unseres Kreises fragen, wenn sie diese zur Hand nehmen. Beide Kreise waren zuletzt sogar durch eine Gau-/Provinzgrenze voneinander getrennt, aber die dort zu beiden Seiten der Grenze wohnenden, überwiegend deutschen Menschen fühlten sich eng miteinander verbunden.

Der Grund ist darin zu suchen, dass Groß Neudorf, Krs. Bromberg, hart an der Grenze zum Kreise Hohensalza lag und sich durch seine günstige Verkehrslage im Laufe von zwei Jahrhunderten für die unmittelbar angrenzenden Dörfer beider Kreise zu einem zentralen Ort entwickelt und das Zusammengehörigkeitsgefühl sehr gefördert hatte. Darum zählen wir die Landsleute aus Groß Neudorf auch zu unserer Heimatkreisgemeinschaft, ohne sie von Bromberg trennen zu wollen.

 

Die Gemeinde

Groß Neudorf entstand um 1750 an der Nahtstelle zwischen dem schon seit vielen Jahrhunderten von den Polen besiedelten waldfreien und sehr fruchtbaren Schwarzen Kujawien und dem lange Zeit unbesiedelt gebliebenen Weißen Kujawien mit seinen Morästen, weißen Sandböden und Wäldern im Thorn-Eberswalder Urstromtal. Deutsche Kolonisten pommerscher und holländischer Herkunft hatten dieses Gebiet kultiviert. Daher lebte hier auch eine überwiegend deutsche Bevölkerung.

Der Ort lag weiter an der Straße Bromberg-Hohensalza, einem alten Handelsweg, der in vergangenen Jahrhunderten wohl auch Teilstück der alten Bernsteinstraße von der Weichselmündung über Gnesen, Posen in den Mittelmeerraum war. Diese günstige Lage führte dazu, dass sich die Gemeinde – nicht zuletzt auch durch die Gründung weiterer Siedlungen in der näheren Umgebung – vorteilhaft entwickeln konnte. Ein übriges tat die Angliederung auch dieses Raumes bei der Ersten Polnischen Teilung 1772 an Preußen/Deutschland.

Zu dieser Zeit aber ist Groß Neudorf noch ein ganz unbedeutender Ort. In einer alten preußischen Akte heißt es dazu, dass das zur königlichen Vogtei1) Bromberg gehörende ehemalige Vorwerk2) Groß Neudorf an Klein Neudorf und Brühlsdorf grenzt und zwei Wirte hat. Jeder besitzt 1 Hufe (30 Morgen) Land, wofür er über einen Zeitraum von 50 Jahren bestimmte Zahlungen zu leisten hat. Angebaut werden Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen und Lein. Im Dorfe ist ein Krug, wozu 9 Morgen freies Krugland gehören. Der Krüger muß sein Bier und Branntwein aus Groß Bartelsee bei Bromberg beziehen. Der Wald ist weitgehend frei für die Hütung des Viehes und die Nutzung als Bau- und Brennholz. Priestergebühren werden nicht entrichtet.

Personenzahl und Viehbestand nach der Klassifikationsakte Groß Neudorf vom 21. April 1773:

 

Männer

Weiber

Söhne

Töchter

Knechte

Mägde

Pferde

Ochsen

Kühe

Schweine

Wirte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Kotz

1

1

 

 

2

1

2

4

4

6

Johann Marohn

1

1

1

3

1

1

2

4

4

6

Pawel Krüger

1

1

1

2

 

 

2

 

3

2

Einlieger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Woitern

1

1

 

 

 

 

 

 

1

 

Johann Hoppe

1

1

2

1

 

 

 

 

2

1

Insgesamt

5

5

4

6

3

2

6

8

13

15

Neben den genannten Dörfern existierten damals auch schon Netzfeld, Eichenau, Kleinwalde, Kabott, Leschitz, Hopfengarten, Elsendorf und Tannhofen. Alle diese Orte sind zu der Zeit schon größer als Groß Neudorf und haben auch bereits mehr Siedler. Aber Groß Neudorf steht erst am Anfang seiner Entwicklung.

In den Jahren 1851-1861 wurden Bromberg und Hohensalza durch eine Eisenbahnstrecke verbunden, und Groß Neudorf erhielt einen Bahnhof. Dies wertete den Ort weiter auf, und es begannen sich allerlei kleinere und größere Betriebe anzusiedeln. In dieser Zeit wird Groß Neudorf auch selbständige Kirchengemeinde.

Nach dem 1. Weltkrieg – jetzt unter polnischer Verwaltung – wurde der Bahnhof vergrößert und von hier die sogenannte Kohlenmagistrale/Kohlenbahn nach dem neuen Hafen Gdingen gebaut, über die die Polen die Kohlen vom polnisch gewordenen Ostoberschlesien zur Ausfuhr in den neuen Hafen transportierten.

Während des 2. Weltkrieges – jetzt wieder unter deutscher Verwaltung – wird Groß Neudorf Sitz einer selbständigen Amtsverwaltung.

Die Gemeinde Groß Neudorf hatte bei einer Größe von rund 3,0 km² zuletzt 430 Einwohner. Zum Vergleich:

Ort

Fläche

Einwohner

Adlig Brühlsdorf

4,7 km²

571

Tannhofen

9,0 km²

570

Elsendorf

6,6 km²

380

Die meisten anderen Dörfer waren kleiner und hatten auch weniger Einwohner, ausgenommen Leschitz/Kirschgrund, zu dem große Waldgebiete gehörten.

 

  • Eine Vogtei ist ein trotz Ausbildung der Landeshoheit unter königlicher Herrschaft verbliebenes Reichsgebiet, das durch einen vom König ernannten Landvogt verwaltet wurde. Vogteien wurden 1806 abgeschafft.
  • Ein Vorwerk ist ein von einem Haupthof eines landwirtschaftlichen Betriebes getrennter Wirtschaftshof zur Unterbringung von Vieh und Wirtschaftsvorräten. Vorwerke dienen auch auf Gütern und großen Betrieben zur Verkürzung der Wegstrecken.

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Die Kirchengemeinde

Im Jahre 1859 wurde Groß Neudorf selbständige Kirchengemeinde, zu der zunächst auch Güldenhof und Hopfengarten gehörten. Von den Kirchengemeinden Bromberg, Grünkirch und Labischin/Lüderitz waren mehrere Dörfer dieser neuen Kirchengemeinde zugeordnet worden. Neun Jahre später wurden das Pfarrhaus und eine Kirche gebaut, die am 29.10.1868 eingeweiht wurde.

Zuletzt gehörten zu dieser neuen Kirchengemeinde/Parochie die Dörfer

Groß Neudorf

Nowawieś Wielka

Kreis Bromberg

Klein Neudorf

Nowawioska

Königlich Brühlsdorf

Dobromierz

Kreis Hohensalza

Adlig Brühlsdorf

Prądocin

Johannistal

Januszkowo

Netzfeld

Kolankowo

Jakobsdorf/Grimmsdorf

Jakubowo

Minutsdorf

Dziemionna

Unteres Tannhofen

Tarkowo Dolne

Dombrowken/Gut Parkwiese

Dąbrowka

Gut Paulshof

Palczyn

Kronschkowo/Friedrichskron

Krążkowo

Penchowo/Hohenwart

Pęchowo

In Groß Neudorf waren seit der Gründung der Kirchengemeinde folgende Pfarrer tätig:

1861-1867

Johann August Griebe

1867-1882

Hermann Oskar Schwahn

1883-1907

Carl Lochmann

1908-1912

Johannes Schönfeld

1912-1919

Johannes Radtke

1920-1922

Otto Kuß

1922-1925

Friedrich Rohner

1926-1945

Erich Meyer

Die Kirchengemeinde Groß Neudorf gehörte zunächst zum Kirchenkreis / zur Diözese Inowrazlaw/Hohensalza, später zu Bromberg.

Grenze des Amtsbezirks im Kreise Bromberg

Grenze der Kirchengemeinde in den Kreisen Hohensalza und Bromberg

Groß Neudorf (Diöcese Inowrazlaw)

Diese Parochie, deren Pfarrort das Dorf Groß-Neudorf ist, wurde im Jahre 1859 auf Grund eines Erlasses des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten und des Evangelischen Oberkirchenrates vom 14. Juni 1859 mittels Errichtungsdekrets vom 15./23. August 1860 gegründet und von den Parochieen Bromberg, Labischin und Grünkirch abgezweigt. Sie umfaßt im Ganzen 32 Ortschaften, unter denen Groß-Neudorf, Klein-Neudorf, Kgl. und Adlig Brühlsdorf, Emilienau, Grünwalde, Hopfengarten, Güldenhof, Jakubowo, Johannisthal, Kolankowo, Kronschkowo, Minutsdorf, Penchowo, Tarkowo (Hauland und Kolonie) die wichtigste sind. Mehrere dieser Ortschaften sind ganz deutsche Dörfer; doch wohnt ein Teil der Eingepfarrten auch in der Zerstreuung unter Katholiken. Die Seelenzahl beträgt 3934.

Eine schöne massive in Rohbau ausgeführte und mit einem hohen Turme versehene Kirche wurde am 29. Oktober 1868 durch den General-Superintendenten D. Cranz feierlich geweiht. Zum Bau empfing die Gemeinde mannigfache Beihülfen; als Grundkapital schenkte ihr der Ober-Konsistorialrat Romberg in Bromberg die Summe von 2778 Thlr. 22 Sgr. 9 Pf. aus dem Ertrage der von ihm herausgegebenen „Gedächtnispredigten auf des Königs Majestät Friedrich Wilhelm III.“

Aus „Geschichte der evangelischen Parochien in der Provinz Posen“
von A. Werner und J Steffani. Verlag Friedrich Ebbecke, Lissa, 1904

 

Die deutsche Bevölkerung war hier im neuerstandenen Polen nach dem 1. Weltkrieg ihrer Heimat – bis auf wenige Ausnahmen – treu geblieben. Mit evangelischer Kirche in Groß Neudorf und deutschen Schulen in Minutsdorf, Tannhofen, Netzfeld, Elsendorf und Krossen bildete dieser Raum eine deutsche Insel in polnischer Umgebung.

Zu Beginn des 2. Weltkrieges im September 1939 erlebte die deutsche Bevölkerung hier schreckliche Tage, ein Bromberg im Kleinen. 23 Landsleute wurden allein in Groß Neudorf von aufgehetzten polnischen Zivilisten und Soldaten ermordet, in der gesamten Kirchengemeinde waren es über 110. Herr Pfarrer Meyer, der während dieser Tage in das Innere Polens verschleppt worden war, schrieb darüber in einem Brief an seine Nichte in Berlin:

„Wir sind glücklich, nun endlich deutsch zu sein. Dem gegenüber scheint uns alles andere, was wir erlitten haben, gering zu sein. Ohne Opfer geht es nicht, in meiner Kirchengemeinde allein 112 z. T. gräßlich Ermordete. Da will ich von dem, was ich persönlich durchgemacht habe, schweigen. Ich habe es alles aufgeschrieben, Ihr könnt es gelegentlich lesen. Ihr habt ja in Radio, Zeitung und Kino davon erfahren; übertrieben konnte es nicht werden.“

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Der Amtsbezirk

Gleich nach Beendigung des Polenfeldzuges im September/Oktober 1939 wurde Groß Neudorf Amtssitz. Folgende Gemeinden des ehemaligen Amtes Schulitz wurden von dort abgetrennt und dem neuen Amte zugeschlagen:

Groß Neudorf

Nowawieś Wielka

Klein Neudorf

Nowawioska

Elsendorf

Dąbrowa Wielka

Kirschgrund/Leschitz

Leszyce

Königlich Brühlsdorf

Dobromierz

Kleinwalde

Lazyn

Krossen

Chrośna

Mittenwalde

Dąbrowa Mała

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Betriebe und Einrichtungen

In Groß Neudorf hatten sich im Laufe der Zeit folgende Betriebe niedergelassen:

Zwei große Dampfmühlen mit angeschlossenen Sägewerken, dazu noch ein drittes selbständiges Sägewerk, Eisengießerei, Schlosserei, Schmiede, Stellmacherei, Tischlerei, Schuhmacherei, Schneiderei, Bäckerei, Fleischerei.

An weiteren Einrichtungen gab es:

Post, den schon erwähnten Bahnhof, Polizeistation, Försterei, Verwaltungsstellen für Gemeinde und Amt, Feuerwehr, Raiffeisenkasse, Gastwirtschaft mit Kolonialwarengeschäft, Tankstelle und Versammlungssaal, Volksschule, Kindergarten und eine kleinere polnisch-katholische Kirche.

Auf dem Gebiete des Gesundheitswesens gab es:

Gemeindeschwester, Hebamme, Fleischbeschauer und eine Zahnarztstation, in der ein Bromberger Zahnarzt einige Male in der Woche praktizierte.

Zweimal im Jahr fand hier ein großer Jahrmarkt statt, dem eine kleinere Kirmes angeschlossen war.

Alle diese Betriebe und Einrichtungen wurden von den Bewohnern der umliegenden Dörfer beider Kreise genutzt, und so gestalteten sich auch dadurch die menschlichen Beziehungen untereinander sehr eng.

 

Um das Bild zu vervollständigen, sei auch noch erwähnt, daß die Polen nach 1945 in Groß Neudorf eine Erdölraffinerie bauten, in der etwa 88 Arbeiter und Angestellte beschäftigt sind. Auch eine Zentralschule wurde eingerichtet. Im Zuge der späteren Verwaltungsreform, bei der man die Kreise abschaffte und die Zahl der Wojewodschaften erhöhte, wurde Groß Neudorf zusammen mit den umliegenden Orten Großgemeinde und untersteht seitdem gleich der neuen Wojewodschaft Bromberg.

So entwickelte sich Groß Neudorf im Laufe der Zeit unter preußisch-deutscher und polnischer Verwaltung zu einem recht bedeutenden Ort unserer alten Heimat.

Weitgehend nach dem Heimatbuch „Aus Brombergs Vergangenheit“ von Dr. Günther Meinhardt

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